Entwicklung des Sportschießens in unserer Gemeinde
von 1945 bis 1989
Vermutlich ist das Schießen die älteste Sportart überhaupt. Vorläufer des Schießens lassen sich zurückverfolgen bis in die Urgesellschaft. Bis zum 15./16. Jahrhundert waren das Bogen- und Armbrustschießen die gängigen Schießwettbewerbe. Nach der Erfindung der Vorder- und Hinterlader und Kugelbüchse verbreitete sich das Schützenwesen rasch. Bereits 1907 wurde die Internationale Schützenunion gegründet. Die Deutsche Demokratische Republik gehörte diesem Verband seit 1960 an.
Nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus in Deutschland durch die Sowjetarmee war es lange Zeit verpönt, eine Waffe in die Hand zu nehmen. Jedoch wurde es notwendig, nach Abspaltung der damaligen westlichen Besatzungszonen durch die Währungsreform und der damit verbundenen steigenden Zahl von subversiven Diversionsakten gegenüber unserem Staat und deren Wirtschaft, die Bevölkerung auf den Kampf gegen den kalten Krieg der Westmächte und deren Geheimdienste
So kam es am 07. August 1952 zur Gründung der GST, der Gesellschaft für Sport und Technik. In ihr werden seither die verschiedensten Wehrsportarten durchgeführt, darunter auch das Sportschießen. Einer der Mitbegründer der GST in unserer Gemeinde war mein Vater, Fritz Kehr. Schon in den ersten beiden Wettkampfjahren zeigte er ausgezeichnete Leistungen, wie Kreis- und Bezirksmeister, so dass er in die Auswahlmannschaft des Bezirkes Suhl aufgenommen wurde. Dort schoss er u.a. mit dem ehemaligen Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Berlin 1936, Erich Krempel, in einer Mannschaft. Zusammen mit ihnen konnte er neben vielen guten Platzierungen bei GST- und Deutschen Meisterschaften, das Sportschiessen beim II. Deutschlandtreffen der Jugend 1954 in Berlin gewinnen. So konnte er über viele Jahre hinweg bis zum Anfang der 60er Jahre das Niveau im Sportschiessen in unserem Bezirk mitbestimmen. Dies war mit ein Grund, dass sich auch andere Bürger unseres Ortes für das Sportschiessen begeisterten und beachtliche Erfolge erzielten. Wir dürfen, wenn wir über das Sportschiessen in unserer Gemeinde sprechen, die Namen Erich Stumpf, Christa Körner, Hubert Urban u.a. nicht vergessen. In dieser Zeit entstand auch mit Unterstützung der damaligen Kettenfabrik ein neuer Schießstand in der Lehmgrube. Dadurch wurde Barchfeld zum Zentrum des Sportschiessens in unserem Kreis.
Auch wurden viele Jugendliche aus Barchfeld und Umgebung unter Anleitung erfahrener Übungsleiter mit dem Umgang der Waffe vertraut gemacht und somit auf den Dienst in den bewaffneten Organen vorbereitet. Da ich schon von frühester Jugend an meinen Vater zum Training begleiten durfte, fand ich auch Interesse am Schießsport. Meinen ersten Wettkampf konnte ich 1964 mit den Kreismeisterschaften im Luftgewehr-Schießen bestreiten. Dort errang ich einen 1. Platz. In den folgenden Jahren begannen wir mit dem Kleinkaliber-Schießen in den nationalen Disziplinen. Unter Anleitung meines Vaters, der sich als Übungsleiter zur Verfügung stellte, reiften wir zu einer guten Mannschaft heran. Nicht unerwähnt soll ein weiterer Übungsleiter, Herr Otto Volkert, bleiben. Zusammen mit Bernhard Hellmann, Karl-Heinz Döhrer und Eberhard Ihling aus Immelborn, konnten wir in den Jahren 1965 / 66 jeweils Bezirksmeister der Mannschaft und ich auch im Einzelnen werden. Nachdem uns 1965 noch ein größerer Erfolg bei den DDR-Meisterschaften versagt blieb, wurde ich 1966 DDR-Vizemeister und unsere Mannschaft errang den ehrenvollen 4.Platz. 1967 stiegen wir auf die Olympischen Disziplinen um. Dort errang ich auf Anhieb bei den Bezirksmeisterschaften zwei erste Plätze. Im August wurde ich dann zum GST-Club ETW Suhl delegiert. Der Durchbruch in den zentralen Wettkämpfen gelang mir 1968. Hier belegte ich den 2. und 3. Platz bei den GST- und DDR-Meisterschaften sowie einen 3. Platz bei der II. Kinder- und Jugendspartakiade in Berlin. Damit konnte ich mir einen Platz in der Auswahlmannschaft des Deutschen SchützenVerbandes der DDR erkämpfen. Den ersten Start in der Auswahl hatte ich beim Wettkampf um die „Goldene Muskete“ in Warschau. Ein 2. und 3. Platz waren für mich die Ergebnisse in diesem Wettkampf. In weiteren Wettkämpfen mit der Auswahl konnten wir gegen Ungarn und Polen neue Deutsche Rekorde der DDR aufstellen.
In dieser Zeit entstand mir auch eine ernsthafte Konkurrenz in unserer Gemeinde mit der Gründung einer Sektion Sportschießen der SV Dynamo Bad Salzungen. Aus ihr gingen in diesen Jahren solch hervorragende Schützen wie Martin Wolf, Klaus Gischel aus Immelborn sowie nicht zuletzt Erich Günther aus unserem Ort hervor. Sie wurden alle drei zum Sportclub Dynamo Hoppegarten delegiert und waren auch bei DDR-Meisterschaften und Spartakiaden erfolgreich. Sie schossen mehrmals Rekorde in ihren Disziplinen.
Von 1969 bis 1971 belegte ich weitere gute Plätze bei GST- und DDR-Meisterschaften und wurde 1969 GST-Meister. Den Start zu den Europameisterschaften 1971 in Suhl verhinderte meine Einberufung zum Ehrendienst in der Nationalen Volks Armee. Dies und noch andere negative Erscheinungen im ersten Wettkampfjahr nach meiner NVA-Dienstzeit gaben den Ausschlag, dem Schießsport adieu zu sagen.
Durch einige strukturelle Veränderungen im DSV sowie der Einführung des GST-Sportprogramm Sportschießen und der Bitte des GST-KV um eine erneute Mitarbeit, konnte ich wieder für den Schießsport reaktiviert werden. Jedoch engagierte ich mich nicht nur als Schütze, sondern arbeitete als Übungsleiter und als ehrenamtlicher Funktionär. Trotzdem ich als Schütze noch mehrmals bei Bezirksmeisterschaften erfolgreich war und auch bei den zentralen Wehrspartakiaden gut Plätze belegen konnte, merkte ich doch, dass die innere Ruhe, die ein Schütze nun einmal benötigt, um gute Leistungen zu vollbringen, nicht mehr vorhanden war. So entschloss ich mich 1978 meine aktive Laufbahn zu beenden.
Da ich jedoch dem Schießsport nicht ganz entsagen wollte und aufgrund meiner langjährigen Zeit als Aktiver über eine große Erfahrung im Sportschießen verfügte, entschloss ich mich Schiedsrichter zu werden und aktiv in der Kommission Sportschießen mitzuarbeiten. Heut bin ich Vorsitzender der Kommission Sportschießen im Kreis Bad Salzungen. Durch verschiedene Qualifikationen war ich in der Lage, an internationalen Wettkämpfen als Schiedsrichter teilzunehmen. So wurde ich bis heute mehrmals zu solchen Wettkämpfen wie dem „Internationalen Wettkampf“, „Grand Prix“ oder den „Jugendwettkampf der Freundschaft“ als Schiedsrichter eingeladen. Durch meine Leistungen bei diesen Wettkämpfen wurde ich in den Kaderkreis der Schiedsrichter zu den Weltmeisterschaften im Sportschießen einbezogen. Ich betrachte es als eine hohe Auszeichnung und Wertschätzung, als Schiedsrichter an den 44. Weltmeisterschaften im Sportschießen in Suhl 1986 teilgenommen zu haben. Es war der bisherige Höhepunkt in meiner sportlichen Laufbahn.
Hans Kehr
Barchfeld, den 10. Februar 1987